Simone Sandroni
Opus Fünfundsechzig
Beschreibung
Ein Abend von TANZ Bielefeld mit den Bielefelder Philharmonikern zur 8. Symphonie von Dmitri Schostakowitsch
Schostakowitschs Symphonie Nr. 8 in c-Moll gilt heute als eine der größten Leistungen des russischen Komponisten. 1943 entstanden, wurde sie – ebenso wie die Siebte und die Neunte – den »Kriegssymphonien« zugeordnet. Im Gegensatz zu der weit verbreiteten Lesart seiner ZeitgenossInnen, ist sie jedoch nicht nur als ein Requiem an die zahllosen Opfer des Krieges zu lesen, sondern vielmehr auch als das persönliche Bekenntnis eines leidenden Künstlers. Obwohl Schostakowitschs Werk als Aushängeschild sozialistischer Kunst gehandelt wurde, sah sich der Komponist während seines gesamten Schaffens immer wieder von Stalins Machtapparat gemaßregelt und musste um seine Existenz und die seiner Familie fürchten.
Gemeinsam mit den Bielefelder Philharmonikern legen Simone Sandroni und sein Ensemble die verschiedenen Deutungsebenen einer Musik frei, die durch ihre Expressivität und ihre mitreißende Kraft beeindruckt. Was bedeutet es, ein künstlerisches Leben in Unfreiheit zu führen? Welchen Umgang findet der Einzelne mit der Unterdrückung? Was hilft ihm, standzuhalten und seine persönliche Integrität zu wahren?
»Es ist unmöglich, alles, was mit einem so großen Phänomen wie Schostakowitsch in Verbindung steht, zu beurteilen und zu verstehen«, hielt der berühmte Pianist Swjatoslaw Richter in den Siebzigerjahren fest. TANZ Bielefeld entwickelt eigene, physische Zugänge zu Schostakowitschs Opus 65 und eröffnet damit einen universellen, zeitgenössischen Blickwinkel auf dieses für sein Schaffen zentrale Werk. Nach Prokofjews Romeo und Julia und Strawinskys Der Feuervogel beschließt die Uraufführung am Theater Bielefeld eine Tanz-Trilogie, die den drei wohl bedeutendsten russischen Komponisten des 20. Jahrhunderts gewidmet ist.
Besetzung
Pressestimmen
Zwischen dem melancholischen Grundton der Symphonie und ihrer schicksalhaften klanglichen Opulenz finden die Tänzer ein Ausdrucksvokabular von enormer emotionaler Tiefe. Fließende und harte Bewegungen, zitternde, fallende und fliegende Körper, maschinenhafte Wiederholungen, empfindsame Soli, raffinierte Paar- und Dreiertänze sowie wuchtige Tableaus formieren sich zu einem Kaleidoskop menschlicher Gefühlszustände - und gehen immer wieder an die Grenzen des physisch Machbaren. (…)
Auch die Musik übernimmt eine mächtige Rolle. (…) Unter der Leitung von Gregor Rot gelingt den Philharmonikern etwas Großartiges: eine über weite Teile kammermusikalische, hochsensible Aushorchung der Partitur mit ihrem wundervollen Englischhorn-Solo, mit ihren langen erzählerischen Melodiebögen und ihren gewaltigen Steigerungswellen. Bielefelds erster Kapellmeister verzichtet auf plakatives Kontrastspiel und auf das Hörbarmachen doppeldeutiger Strukturen. Vielmehr erforscht er mit untrüglichem musikalischem Gespür die emotionale Essenz der jeweiligen Sätze und fördert so eine zeitlose menschliche Botschaft zutage, die vor allem in den feinen Pianissimo-Passagen unter der Haut geht.
Der Tanz bewegt sich oft in geradezu intimen Bahnen (…). Ein riskantes Spiel von Fallen und Aufgefangenwerden bietet hier visuellen Nervenkitzel, der aber den Zuschauer nicht ablenkt von Schostakowitschs Musik, welche von den Bielefelder Philharmonikern, unter der Leitung von Gregor Rot, in packender physischer Intensität und emotionaler Schlüssigkeit dargeboten wird.